Entwicklungen zum kirchlichen Arbeitsrecht
Mit dem Urteil vom 17.04.2018 im Fall ‘Egenberger‘ hat der Europäische Gerichtshof eine jahrelange deutsche Rechtsprechungspraxis beendet.
Speziell die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Glaubensgemeinschaft oder die Beachtung der religiösen Lebensweise wird von kirchlichen Arbeitgebern häufig zur Voraussetzung für eine Anstellung gemacht. Im Rahmen solcher Arbeitsverhältnisse stellt sich daher die Frage, ob und wie weit ein kirchlicher Arbeitgeber seine aufgestellten Arbeitsanforderungen am Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und den Grundrechten seiner Arbeitnehmer messen lassen muss.
Im Fall eines Chefarztes, dem 2009 auf Grund seiner Wiederheirat von seiner Arbeitgeberin, einem Krankenhaus mit katholischer Trägerschaft, gekündigt wurde, stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht auch das Recht umfasse selbst zu bestimmen, welche Verpflichtungen den Arbeitnehmern als Ausdruck des kirchlichen Glaubenssatzes aufzuerlegen sei. Damit bestätigte das BVerfG einmal mehr seine Entscheidung aus dem Jahr 1985 und hielt somit an einer lediglich begrenzten gerichtlichen Überprüfungsbefugnis fest. Dabei soll es den Gerichten nur überlassen sein, die von der kirchlichen Einrichtung aufgestellten Grundsätze einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen. Entsprechen diese Grundsätze dem Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft, so müssen diese auch in einer anschließenden Grundrechtsabwägung besonders gewichtet werden. Ein Verstoß gegen das AGG konnte demnach kaum festgestellt werden.
Im Fall ‘Egenberger‘ entschloss sich das Bundesarbeitsgericht dazu, die Sache direkt dem EuGH zur Überprüfung vorzulegen. Dabei kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass dem weitreichenden Selbstbestimmungsrecht der Kirchen Grenzen in Form eines effektiven Diskriminierungsschutzes gesetzt sind. Im Vergleich zur bisher gängigen Rechtsprechungspraxis in Deutschland wird damit das Tor zu einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle eröffnet.
Demzufolge hieße das, dass eine Ungleichbehandlung auf Grund der Religion nur dann gerechtfertigt ist, wenn nach der Art der Tätigkeit oder der Eigenarten ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte Anforderung vorliegt. Diese Anforderung soll nach Ansicht des EuGH gerichtlich voll überprüfbar sein. Angewendet auf den Fall des gekündigten Chefarztes erscheint eine Kündigung auf Grund einer Wiederheirat als nicht gerechtfertigt, da die Art der beruflichen Tätigkeit allein auf die ordnungsgemäße Ausübung des Heilberufs abzielt und nicht auf die religiöse Lebensweise des Arbeitnehmers.